Frau Wang und die Kunst des Liebens

GC und Jenny Wang gehören jetzt für immer zusammen. Gekostet hat diese Liebe ein bisschen mehr als ein Gedichtband von Till Lindemann. Und ein bisschen weniger als der geschredderte Banksy bei Sotheby’s. Vor allem aber viele Nerven.

Was GC mit Kunst zu tun hat? Bis heute schrecklich wenig. GC ist selten schön. Aber eben auch selten wirklich verstörend. GC ist allzu oft wie ein Gedicht von Till Lindemann. Der Versuch von etwas ganz Großem, irgendwo zwischen Anspruch und Realität ins Bodenlose bretternd. Beim Zuschauen möchte man nicht nur das lyrische Ich möglichst schnell loswerden.

An späten Spielminuten scheiternde Erfolge sind wie Banksy bei Sotheby’s. Eigentlich war bei GC nichts so sicher wie die Mittelmäßigkeit. Bis sich Jenny Wang aus unerfindlichen Gründen in dieses strauchelnde Insekt verliebte. Wang ist ein bisschen wie die Twitteruserin @furicura. Aus der Ferne begehrt sie den blau-weissen Rekordmeister. So sehr, dass sie sich ihre Faszination ordentlich etwas kosten liess. Was ist eine Liebe schon wert, wenn man nicht mindestens 90 Prozent der Aktien an seinem Objekt der Begierde erwirbt?

Als global tätige Unternehmerin hat Wang einen engen Bezug zur Schweiz. Diese Tatsache ist so selbstverständlich und altbekannt, wie der Narzissmus des Herrn Lindemann. Wir dürfen davon ausgehen, dass Wang Jahr für Jahr den heimischen Fussball genauestens verfolgt hat. Die Zwölf und den Eurosoccer hat sie abonniert. Bestimmt auch hat sie meine Artikel über den FC Wettingen gelesen.

Schliesslich ist Wang als ehemalige Journalistin ja fast schon eine Kollegin. Im Gegensatz zu mir hat sie allerdings so etwas wie eine Karriere. Eine futuristische Galerie und bestimmt auch mehr Taschen von Prada. Jenny Wang ist eine Frau von Welt. Weiss man eigentlich schon, was Stefan N. von all dem hält?

Ein Investment dieser Art ist schliesslich ein bisschen so, als würde sich plötzlich Alice Schwarzer für den FC Schaffhausen interessieren. Ein Globulihersteller für den FC Basel. Oder eben überhaupt jemand für die Grasshoppers. Und wer sich für GC interessiert, muss selbstverständlich einen wirklich schrecklichen Kunstgeschmack haben. Vielleicht liest Frau Wang Frau Wang ja „100 Gedichte“. Heimlich. Unheimlich. 21.50 Franken kostet der Gehirndurchfall von Till Lindemann. GC selbst dürfte kaum teurer gewesen sein.

Was mehr schmerzen dürfte, ist die Schlussrechnung. Diese Übernahme ist eher ein schlechter Match. Zumindest für eine Seite. Aber eigentlich ist das ja sowieso nie anders. In meinem Leben hatte ich schon einige Matches. Dafür nur ein Tinder-Date. So richtig erfolgreich war dieses nicht. Am Ende ist alles enttäuschender als das geschredderte Bild eines Mädchens mit Ballon. Die Liebe ist im Eimer. Soll es nun anders sein? Und vor allem: Wem möge man es wünschen?

Chelsea Dagger und die Sache mit dem Schmerz

Die Super League ist mir fremder denn je. Wir steigen auf. Doch ich habe Wachstumsschmerz. Wir steigen auf. Und am Ende ist alles einerlei.

Lausanne. Bern. Luzern. Und dann wieder von vorne. Pontaise. Wankdorf. Swissporarena. Mein Horizont ist wie ein Kreis mit Radius Null. Die Super League ist mir fremd. Wenn Lausanne spielt, bin ich nur so halb dabei. An die Partien im wichtigsten Tempel der Schweiz kann ich mich kaum mehr erinnern. Sie waren austauschbar. Wie der Klotz, der sich insgeheim Stade de Suisse nennt.

Kein Mensch braucht die Young Boys. Kein Mensch braucht den FC Luzern. Das habe ich mir zumindest lange genug eingeredet. Nun ist der Gang in Richtung Allmend wie ein Heimkommen. 26 Franken kostet das Glück, das uns ziemlich lange verwehrt blieb. Die gelben Schrägen lösen bei mir immer ein seltsames Schwindelgefühl aus. Wie ein Betrunkener stolpere ich über das Grau des Bodens. Ich drifte immer ein bisschen mehr ab. Wie Lausanne in der Tabelle.

Nur die altehrwürdige Pontaise spielt keine derartigen Spiele mit mir. Sie ist das Beste, was uns je passiert ist. Hier gibt es keine gelben Schrägen, kein Architekt hat sich hier etwas ganz besonders Tolles überlegt. Überall ist hier Beton. Wir hüpfen über das Grau des Bodens. Manchmal etwas gar zu euphorisch. Der Geruch von Bier vermischt sich. Mit dem einen und dem anderen Gras. Alles ist einerlei. Nur du bist mir nicht egal. Wir atmen Geschichte ein. Und dann wieder aus.

Ich hasse das Wankdorf, das Brügglifeld, den Rheinpark. Die ganze Sache mit den Stadien. Ich war selten verliebt. Schwierig ist es auch mit den Ligen. Die Super League war selten nett zu uns, meine Ansprüche kaum erfüllbar. Nicht mit Katz, Favre oder Silvio. Ich erinnere mich kaum mehr an das Wankdorf. Schwach an unsere Siege. Was bleibt ist Chelsea. Und der Luzerner Schmerz. Jahmir Hyka pflückt den Ball aus der Luft. Das runde Leder zappelt im Netz. Und dann kommt Chelsea.

I was good she was hot
Stealin‘ everything she got
I was bold she was over the worst of it.

Immer wieder Chelsea Dagger. Es sind Stiche in mein Herz. Wir können das mit dem Tore schiessen nicht allzu gut. Immer wieder gewinnt dieses verdammte Luzern. Immer wieder läuft diese verdammte Tormusik. Keine Ahnung, was mittlerweile in Luzern durch die Ränge schallt. Ob ich es so schnell erfahren werde? Jetzt, da wir die Tore schiessen, hat sich das Blatt wohl gewendet.

Lausanne ist der Liga längst entwachsen. Diesmal sind wir wer. Sie sagen Lausanne gehört nicht in die Challenge League. Doch ich habe Wachstumsschmerz. Noch befinden wir uns diesem bittersüssen Schwebezustand, der Fussball pausiert. Ich kann mir vieles einreden. Geschichten vom Kommen, vom Bleiben und vom Gehen. Die Luzerner Zeitung schreibt jetzt wieder über Hyka. Alles ist wie früher, wenn wir es denn nur wollen. Wenn nicht jetzt, wann dann.

Die Zeit ist überall stehen geblieben. Nie war sie verletzlicher. Wir können angreifen. Oder soll man es lassen? Auf Sky läuft kein Fussball mehr. Bei mir nur Parks & Recreation, New Girl oder The Walking Dead. Weil nichts mehr ist, wie es einmal war, halten wir uns an andere Dinge. An Pizzaränder und Fotos von Jetset-Tanten, manchmal auch an Whiskyflaschen. Aber irgendwann hoffentlich wieder an dir. Monbijou.

So ne Scheisse, wir steigen auf. Mittlerweile ist alles irgendwie einerlei. Hauptsache Fussbal. Verdammte Hölle! Die Ansprüche sind bedenklich gesunken. Und gleichzeitig ins Enorme gestiegen. Solange wir noch irgendwo zwischen Vaduz und Kriens feststecken ist alles ein bisschen kompliziert. Schrödingers Challenge League. Oder so. Letztlich sind wir nicht gekommen, um zu driften. Der Horizont ist irgendwann mehr als nur ein Kreis mit Radius Null geworden.

Auf einmal sehen wir den Himmel. Alles soll Blau und Weiss werden. Lausanne. Bern. Luzern. Und dann wieder von vorne. Pontaise. Wankdorf. Swissporarena. Und irgendwann auch Zürich, Basel, St. Gallen, Genf. Oder wie auch immer sie alle heissen mögen.

Ein Weihnachtsmärchen: Fede Valverde und die Hoffnung

Lange bevor er die Fans der LaLiga verzauberte, stand Fede Valverde in seinem Heimatland für ein neues Zeitalter. Wie sieben Sterne und ein besonderer Heiligabend eine Weltkarriere formten und was diese für die in Himmelblau gekleidete Nationalmannschaft bedeutet.

Manchmal entstehen aus Zufällen Weltkarrieren. Scheinbare Nichtigkeiten zeichnen Lebenswege, die sich von einem Märchen kaum mehr unterscheiden. Ein unvergleichliches Beispiel dafür ist die Geschichte von Federico Valverde. Dem Spieler, der gerade bei Real Madrid einen kometenhaften Aufstieg feiert und scheinbar aus dem Nichts an die Weltspitze vorgestossen ist.

Doch anders als vielleicht erwartet, wurde Valverde nicht allzu früh vom Glück geküsst. Als Sohn eines Casinomitarbeiters war Fortuna ihm zwar vertraut, aber nie gnädig. Seine Mutter suchte im Einzelhandel danach, nur schwer hielt sich die Familie über Wasser. «Baby fútbol», ein südamerikanisches Phänomen, sollte nicht nur für ihn sondern auch für seine Familie alles verändern.

Schon früh stand Fede auf den Rasenplätzen der Nation, spielte lange für die Exploradores (Artigas). Bis im Alter von neun Jahren alles auf den Kopf gestellt wurde. Schuld daran sind sieben Sterne und ein waschechtes Weihnachtsmärchen. Den Verantwortlichen des Kindervereins «Siete Estrellas» kam im Dezember 2009 zu Ohren, welch grosses Talent Valverde habe. Und der Verein, der so vieles gewonnen hatte, wollte auf einmal nur noch eins: Fede Valverde. Um jeden Preis.

Zur richtigen Zeit am richtigen Ort

So kam es, dass kurz vor Weihnachten nicht Caspar, Melchior und Balthasar loszogen, sondern mehrere Mitarbeiter der «Siete Estrellas». Mit einem Vertrag in der Tasche wanderten sie durch die Region, um nach Fede Valverdes Mutter zu suchen, welche zu dieser Zeit auf der Strasse Spielzeuge für Heiligabend verkaufte. Die Verantwortlichen der «Siete Estrellas» hatten kaum Anhaltspunkte, aber viel Ehrgeizig.

Und so war es nur eine Frage der Zeit, bis sie Fedes Mutter fanden. Noch etwas länger als die Suche nach ihr dauerte allerdings die Vertragsunterzeichnung. Erst am 24. Dezember willigte sie ein, von da an spielte Fede endlich für die sieben Sterne. Er war scheu und dünn – was ihm in seiner Karriere mehrmals im Weg stehen sollte – aber er konnte mit dem Ball zaubern und war intelligent wie kein anderer auf dem Platz.

Seine Mutter sorgte dafür, dass er kein Training verpasste, Fede wuchs auf allen Ebenen und so kam es, wie es kommen musste. Peñarol Montevideo, das sich all die Jahre zuvor von den anderen Vereinen des Landes hatte abhängen lassen, war auf der Suche nach neuen und frischen Talenten – und Federico Valverde einmal mehr zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Ein Fotograf und ein Schiedsrichterführer, die für Peñarol nach Talenten Ausschau hielten, entdeckten den kleinen Mittelfeldspieler. Dass er einst für die erste Mannschaft des Traditionsvereins spielen sollte, war von da an beschlossene Sache.

Im Visier von Chelsea, Arsenal und Real Madrid

So trainierte Fede Valverde in der Escuelita de Peñarol, bis er alt genug war, um einen richtigen Vertrag bei Peñarol unterschreiben zu können. Bis endlich alles losgehen konnte. Doch bevor Fede auch nur ein einziges Mal für die erste Mannschaft aufgelaufen war, klopften die ganz grossen Vereine an. Chelsea, Arsenal, Real Madrid. Sie alle zeigten sich beeindruckt ob der Leistung, die Fede in der Juniorennationalmannschaft gezeigt hatte. Am Ende überstrahlten die Königlichen alles, fünf Millionen war ihnen Fede Valverde zu diesem Zeitpunkt wert.

Gleichzeitig wurde Valverde mit seinen Teamkollegen aus der U17-Nationalmannschaft,  Santiago Bueno und Diego Rossi, in das Training der ersten Mannschaft bei Peñarol eingeladen. Noch war mit Real Madrid nicht alles in trockenen Tüchern. Als er zum Medizincheck nach Madrid flog, waren die verantwortlichen Ärzte alles andere als begeistert von ihm. Er sei nahezu unterernährt, kaum fähig, über lange Zeit gute Resultate abzuliefern, hiess es.

Klein und unscheinbar – aber voller Hoffnung

Als Valverde ohne die erhofften Papiere zurück nach Uruguay flog und einen Dreijahresvertrag bei Peñarol unterschrieb, schienen alle Träume geplatzt zu sein. Doch so leicht gaben weder Real Madrid noch Fede auf. Vier Tage später wurde bekanntgegeben, dass Fede einen Vorvertrag abgeschlossen hatte. Bis zu seinem achtzehnten Lebensjahr sollte er in Uruguay bleiben, danach nach Spanien zurückkehren. Nach gerade einmal zwölf Spielen für die erste Mannschaft von Peñarol wurde Fede Valverde 2016 endlich zu einem Spieler der Königlichen.

Fede Falverde. Spätestens ab diesem Zeitpunkt standen diese beiden Worte für Hoffnung. Für ein neues Zeitalter. Es war ein Name, der immer wieder irgendwo auftauchte. Nie auf den ganz grossen Seiten, nie in den Schlagzeilen. Vielmehr immer in den verborgensten Ecken. Klein. Aber nie unscheinbar. Fede war da – und auf einmal weg. Zu Deportivo La Coruña  abgeschoben. War der Traum von dieser verheissungsvollen Zukunft beendet?

Wenn so viel Hoffnung da ist, taucht irgendwann einmal auch Angst auf. Doch dass diese völlig unbegründet war, wagte damals keiner zu denken. Heute ist Fede im Rampenlicht, er steht für diese laufende Saison. Königlich, strahlend und scheinend. 50 Millionen Marktwert füllen ab jetzt die Schlagzeilen. Der kleine Vogel, wie er genannt wird, hat das Fliegen gelernt.

Er ist Gold wert, nicht nur für Real Madrid. Sondern für ein Mittelfeld, das der Nationalmannschaft aller Nationalmannschaften gehört. Für ein ganzes Land und ein Zeitalter, das eigentlich längst der Vergangenheit angehören sollte.

Ein Relikt einer längst vergangener Zeit

Fede Valverde ist nebst seinem Vordermann Brian Rodriguez einer der wenigen verbliebenen Exportschlager von Peñarol Montevideo, dem Verein, der nebst Nacional einst alles überstrahlte. Den man nur lieben oder hassen konnte, je nachdem ob man denn eben Nacional liebte oder hasste. In Uruguay bist du meistens für Nacional oder Peñarol, ausser du heisst Endinson Cavani oder Diego Forlan, dann zählen diese Gesetze nicht für dich. So war es zumindest lange Zeit. Doch mittlerweile gilt nicht mehr, was jemals war.

Wenn die ganz grossen Hoffnungen auf dem Mittelfeld der Nationalmannschaft ruhen, dann haben sie ihren Ursprung in der Arbeit von Delfino Pescara (Lucas Torreira), den Boca Juniors (Rodrigo Bentancur). Vereinen aus dem Ausland. Oder kleinen Fischen wie Defensor Sporting (Brian Lozano) und Central Español (Matías Vecino). Doch während sich so vieles geändert hat, steht Fede Valverde für eine vollkommen andere Welt. Für das Altbewährte, das lange Zeit so viel Sinn ergeben hat. Seine reine Existenz ist eine Reise in die Vergangenheit.

Bis er den königlichen Rasen betritt. Dann vermischen sich auf einmal Zeit und Raum, bis kaum etwas mehr Wichtigkeit besitzt. Dann sieht man nur ihn. Die Nummer 15, die für Hoffnung steht. Das «E» in Fede, das für Hoffnung steht. Seine Spielweise, die für Hoffnung steht. All das, was noch kommen mag. Der berühmte uruguayische Kampfgeist Garra Charrúa hat viele Generationen geprägt. Diese ganze Dekade haben wir mit dieser Art von Fussball verbracht. Mit dem vielleicht brillantesten Sturmduo überhaupt. All das wird für immer unvergessen bleiben. Aber wer erinnert sich heute noch an den ganzen Rest? An ein Mittelfeld, bestückt mit Spielern wie Diego Pérez oder Egidio Arévalo Ríos.

Von der Wasserverdrängung und geebneten Wegen

Es ist bei Gott nicht ihre Schuld und nicht recht, dass sich niemand mehr an sie erinnert. Aber es hatte bei Gott auch ziemlich oft wenig mit Fussball zu tun, was damals gezeigt wurde. Sie alle waren Spieler die man vor allem mit dem Wort «Wasserverdrängung» in Verbindung bringt. Bullig, ungelenk. Mit mehr begangenen Fouls als angekommenen Pässen. Aber durch sie und mit all den Meilensteinen der vergangenen Jahre wurden Wege geebnet.

Ganz besonders dieser eine Weg, direkt ins Licht. Egal, was kommen mag, Uruguay hat jetzt schon gewonnen. Im November hat gegen Ungarn eine Mannschaft gespielt, die den Auftritten vom Anfang dieser Dekade ferner nicht hätte sein können. In nur neun Jahren hat sich so wahnsinnig vieles geändert. Wenn in den Kommentarspalten über junge Spieler aus Uruguay geredet wird, wird nicht mehr gefragt «Ist dieser Spieler gut». Stattdessen heisst es «Kann er wie Fede spielen?».

Federico Santiago Valverde Dipetta nährt die Zukunftsvisionen von knapp 3.5 Millionen Menschen. Dieser Spieler mit einer kaum für möglich gehaltenen Eleganz und Feinheit hat das Ballet der Arbeiterklasse auf ein neues Level gebracht. Wenn wir schon Hoffnungen haben wollen, dann bitte jetzt. Wer könnte denn schon ein besseres Märchen schreiben als dieser Spieler, für den an einem Heiligabend einst alles begann?

In case of emergency break glass(ner): Warum Oliver Glasner ohne Plan und Ziel durch die Bundesliga marschiert

Auch wenn in Oliver Glasners Leben kaum etwas nach Plan verläuft, ist das in seinem Fall positiv. Ein Lebensweg, der zu keiner Zeit vorbestimmt war – und doch immer wieder in Richtung Erfolg führte.

Lebensgefahr, Diagnose Subduralhämatom. Eine gefährliche Blutung zwischen Gehirn und harter Hirnhaut. Ein Zweikampf zu viel, ein alles verändernder Kopfball. Vor acht Jahren, unmittelbar vor dem Start des Europapokal-Spiels gegen den Brøndby IF hing das Leben von Oliver Glasner, zu dieser Zeit Spieler der SV Ried, an einem seidenen Faden. Schon damals hätte alles vorbei sein können. Zu diesem Zeitpunkt war der Fussball auf einmal unwichtig. Da war nur das Leben. Und mit ihm diese unglaubliche Schwere. Was zählen schon Punkte, Passquoten, schöne Dribblings? Wenn man so kurz davor steht, eine Schwelle zu viel zu übertreten.

Während seine Frau damals aus tausend Kilometern Entfernung die Freigabe zur Not-Operation geben musste, war Glasner schon nicht mehr zurechnungsunfähig. Er überlebte letztlich. Trotz allem. Doch seine Fussballkarriere starb an diesem verhängnisvollen Abend in Kopenhagen. Die  Gehirnerschütterung, die er sich zuvor im Spiel gegen Rapid zugezogen hatte, sollte das Ende seiner Glanzzeit einleiten. Lange Zeit drehte sich auf einmal nicht mehr viel um das schöne Spiel. Kurz vor dem Erreichen des 37. Lebensjahrs gab er auf Anraten der Ärzte seinen Rückzug aus dem Profifussball bekannt. Erneut hätte alles vorbei sein können.

Doch Glasner wäre nicht Glasner, hätte er nicht gewisse Vorkehrungen getroffen. Noch während er über die Felder der Nation rannte, schloss er ein betriebswirtschaftliches Studium an der Fernuniversität Hagen ab. Er wollte bleiben. Von Anfang an. Ähnlich sahen das auch die Verantwortlichen in Ried. Eine Saison ohne den Fanliebling Glasner? Unvorstellbar. Dass er nach dem Ende seiner aktiven Karriere die zweite Mannschaft in Ried übernehmen sollte, war fast schon beschlossene Sache.

Prägung, Dankbarkeit – und Rangnick

Dennoch kam es einmal mehr anders. In das Leben von Glasner, der zuvor nur noch für den Linzer ASK aufgelaufen war, trat ein neuer Verein. Ein Konstrukt, das damals schon vielen ein Dorn im Auge war – und dennoch bald die Welt erobern sollte. Peter Vogl, Ehrenpräsident in Ried und zugleich Geschäftsführer von Red Bull Salzburg, hatte andere Pläne für Glasner als man sie in Ried hatte. Im Jahr 2012 wurde Glasner sportlichen Koordinator des aufstrebenden Vereins.

Er machte seine Arbeit gut. Doch erneut trat jemand in sein Leben – mit dem Ziel, dieses gehörig umzukrempeln. Die Rede ist von Ralf Rangnick (!Werbung in eigener Sache!), der nach seinem auskurierten Burnout als Sportdirektor des FC Red Bull Salzburg fungierte. Er schätze Glasner und erkannte sein Potential. Nach der Vertragsauflösung mit Co-Trainer Ricardo Moniz, der mit Salzburg erstmals das Double gewonnen hatte, nahm Glasner neben Roger Schmidt auf der Bank Platz. Er sicherte sich die A-Lizenz, wuchs an der Seite dieser beiden prägenden Figuren.

«Ich musste am Ende eine Arbeit schreiben, welche Art Fussball ich mir vorstelle», erzählte Glasner einst. «Ich habe Roger Schmidt und Ralf Rangnick meine Arbeit gezeigt und unsere Vorstellungen waren zu 90 Prozent deckungsgleich.»

Er war mehr als nur am richtigen Ort angekommen. Wenn er zurückdenkt, redet er viel von Prägung. Von Dankbarkeit. Ralf Rangnick hat aus ihm das gemacht, was er vielleicht schon immer sein sollte. Schon vor Dingen wie Kopfbällen gegen Rapid oder Subduralhämatomen. Mit dem erneuten Double, das Salzburg 2014 realisierte, war sein Weg für einmal endgültig besiegelt.

Laute Streitereien und ein Scherbenhaufen

Doch nach diesem Erfolg wollte er zurück. Die SV Ried rief. Aber wohl nicht laut genug. Während er dem Verein als Spieler ganze achtzehn Jahre treu geblieben war, sah das während seiner Karriere als Trainer anders aus. Nach nur einem Jahr lockte der Linzer ASK ihn einmal mehr. Zum ersten Mal in seiner Trainerkarriere stand er vor einem Scherbenhaufen.

In knapp vier Jahren verschlissen die Rieder zehn Trainer. Die Stimmung kippte, der Fanliebling war auf einmal keiner mehr. In österreichische Medien war die Rede von lauten Streitereien zwischen Glasner und den Klubverantwortlichen. Mit der lebenslangen Ehrenkapitänswürde war es auf einmal nicht mehr so weit.

Dennoch stellte sich die Entscheidung letztlich als richtig heraus. 2017 realisierte er als Sportlicher Leiter und Cheftrainer mit dem LASK den Aufstieg in die Bundesliga, in der darauffolgenden Saison sicherte sich das Team gar den zweiten Platz, neun Punkte hinter Salzburg. Noch viel beeindruckender war aber die Punkteausbeute: In insgesamt 155 Pflichtspielen erreichte Glasner einen Punkteschnitt von 1,97 Zählern. Der neue Vereinsrekord war ihm sicher.

Auch wenn er nicht nur Rangnick wegen als Laptoptrainer gilt, setzt er dabei nicht nur auf blanke Zahlen. «Mit den Daten, die man im Fußball heutzutage zur Verfügung hat, kann man die Trainings-Steuerung objektivieren. Früher hat man sehr viel mit Auge gemacht. Allerdings ist uns auch das subjektive Empfinden der Spieler wichtig. Wenn dann subjektives Gefühl und objektive Daten Alarm schlagen, dann schrilllen auch bei uns im Trainer-Team die Alarmglocken», sagt er gegenüber der BILD.

Ein Trainer, der in keine Schublade passt

Viel wichtiger als all der andere Zirkus sind ihm Respekt und Vertrauen. Die Nähe zu den Spielern. In diesem Bereich unterscheidet er sich von Ralf Rangnick. Seinem Mentor ist er längst entwachsen. Unterstützung holt er sich dafür schon fast sein halbes Leben lang beim Soziologen und Berater Werner Zöchling. Dieser soll ihm bei seinem Auftreten und der Teamentwicklung helfen. Überhaupt wirkt Glasner nicht wie der typische Trainer. Noch weniger wie ein Rangnick-Schüler. Eine Schublade, in die man ihn stecken könnte, müsste erst einmal erfunden werden.

Dafür existieren unzählige Geschichten über ihn. Zum Beispiel die über die ausgeschlagenen 50.000 Euro. Als Rieder Kapitän wurden ihm diese einst im Zuge eines Manipulationsversuchs angeboten. Obwohl er das freundliche Angebot dankend ablehnte, erzählte er diese Anekdote erst sechs Jahre später bei einem Sponsorentermin. Ob dieser etwas damit zu tun hatte, er die Verjährung abwarten wollte oder dies einfach typisch Glasner ist, sei dahingestellt.

Eher ernst war dafür eine Aktion aus dem Jahre 2016. Damals beschimpfte ein Fan des SV Horn zwei seiner Spieler mit rassistischen Beleidigungen. Glasner (einmal mehr ahead of the times) wollte daraufhin einen Rauswurf des Fans erwirken, kam dabei aber selbst unter die Räder und wurde auf die Tribüne geschickt. Trotzdem blieb er bei seiner Meinung: «Bei Rassismus sehe ich Rot.»

«Es war vielleicht lebensrettend, dass ich diese Kopfbälle gemacht habe»

Weniger deutlich ist er, wenn es um das Concussion-Protocol geht. Als Spieler, dem einst ein Kopfball die ganze Karriere kostet, könnte er in diesem Bereich eine Vorreiterrolle einnehmen. Noch will er sich diese aber offenbar nicht aufbürden.

«Bei diesem Thema müssen die Mediziner entscheiden. Ich masse mir als Trainer nicht an, grosse Ratschläge zu geben. Natürlich war ich betroffen, aber ich sehe es im Nachhinein sogar positiv. Es war für mich vielleicht lebensrettend, dass ich diese Kopfbälle gemacht habe», sagt er im BILD-Interview.

Überhaupt ist Glasner zurzeit noch auf der Suche nach sich selbst. Egal ob Umstellung auf die Viererkette, Rotation oder Kritik-Keule. Seit er im Juni 2019 Bruno Labbadia beerbte, herrscht noch Luft nach oben. Besonders im Offensivbereich, dem Steckenpferd von Glasner, herrscht zurzeit noch eine Flaute. Der schnelle Weg zum Tor, frühe Störungsversuche und blitzschnelles Nachsetzen nach Ballverlusten gehören zu den Dingen, die er auf dem Feld sehen will. Nicht immer hat sich Wolfsburg aber anständig präsentiert.

Glasner hat noch einen weiten Weg vor sich. Ein Glück, war er nie einer, der nur den vorgegeben Pfaden folgte. «Ich bin generell jemand, der die Dinge auf sich zukommen lässt. Ich plane nicht ganz weit im Voraus», sagte er einst. Besser könnte man seinen bisherigen Werdegang wohl nicht beschreiben.

Lieb doch wen du willst

Warum der SC Kriens der beste Verein der Challenge League ist. Und der Rest bei genauerer Betrachtung eigentlich auch nicht schlecht ist.

Es gibt Fragen, die man sich in der unfairen Fussballwelt immer wieder stellt. Wenn man wieder einmal über die guten alten Zeiten sinniert, den alltäglichen Wahnsinn des Profifussballs zu spüren bekommt. Eine davon sind eigentlich gleich zwei: Warum der FCL? Warum nicht Kriens?  

Schon seit Jahren wirkt der kleine Bruder aus dem Vorort attraktiver und vernünftiger als das grosse Vorbild aus der Stadt. Schon seit Jahren ist es aber genau dieser grosse FCL, der die ganze Aufmerksamkeit des Einzugsgebiets auf sich zieht. Obwohl sich die Partien der beiden Vereine am vergangenen Spieltag nicht in die Quere kommen, sind nur 1400 Zuschauer präsent, als der grosse Ligakrösus aus Lausanne am Samstagabend im Kleinfeld gastiert. Die meisten Sitzplätze wirken verwaist, auf den Rängen ist eher wenig los.

Als wir in der Kälte auf die Mannschaften warten, sticht mir dafür meine Eintrittskarte ins Auge. Anders als die zumeist eher langweiligen Tickets hat dieses hier nämlich mehr zu bieten, als nur die Details zur Partie oder den niedergedruckten Preis, den man nach der Bezahlung eher gerne ignoriert.

«Fans sollen Eintritt bezahlen und den Mund halten. Das sagen Klubbesitzer. Deshalb haben wir keinen. Den der SC Kriens gehört den Fans. Gehört Dir! Mach mit beim 12. Mann. Mit Dir sind wir stärker», steht da. Klare Worte auf weissem Papier.

Einmal mehr wird deutlich: Beim SC Kriens läuft alles irgendwie ein bisschen anders. Das fängt nur schon beim Ticketkauf an, der komplett in der analogen Welt abgewickelt wird. Wer sich die Heimspiele der Mannschaft unbedingt ansehen will, der kommt eben ein bisschen früher vorbei. Hat ja früher auch ganz gut geklappt. Klappt auch heute noch. Das endlich ergatterte grüne Stück Papier ist schliesslich eine waschechte Eintrittskarte in Richtung Glück. Den Oldschool-Ticketkauf hin oder her: Gab es schon einmal eine Person, die das Kleinfeld traurig verlassen musste?

Wer das kompakte Stadion betritt, findet sich im vielleicht schönsten Wohnzimmer der Fussballschweiz wieder. In einer Stätte, für welche die genau die richtige Mischung zwischen Modernität und Romantik gefunden wurde. Die an jedem Spieltag herausgeputzt und unerschütterlich inmitten von Altersheimen oder Wohnhäusern steht. Wie ihr Verein kaum Aufmerksamkeit erregt und trotzdem in Sachen Liebenswürdigkeit keine Vergleiche scheuen muss.

Das neue Kleinfeld und sein Verein haben den wertvollen Charme, welcher der Super League schon lange abhandengekommen ist. Der kleine FCL-Bruder ist authentisch. Selbst bei der Suche nach einem Stadionwart heben sich die Chrienser vom Rest ab. Was dieser mitbringen muss? «Einfühlungsvermögen sowie soziale Kompetenz im Umgang mit Stadionbesucherinnen und Besuchern, unseren Mannschaften und Stadiongästen», so der exakte Wortlaut im Stelleninserat.

So werden dann selbst die Gästefans behandelt als seien es die eigenen. Egal ob Wünsche für eine gute Heimfahrt, ein kostenloser Snack oder sonstige Rundumbetreuung. Es sind die Kleinigkeiten, die zählen. Die den Verein gross machen. In Kriens weiss man immer, was einem erwartet und was man bekommt. Aber auch, was nicht funktioniert. Superstars kann man sich hier keine leisten. Wer zwölfter Mann ist, der bezahlt jährlich gerade einmal 99 Franken an den Verein. Wenn wir diese mit den heute anwesenden 1400 Zuschauern multiplizieren, dann landen wir bei einer Zahl, deren Erwähnung sich nicht einmal lohnt.

In Kriens werden wohl nicht nur deswegen nie die ganz grossen Namen auf dem Rasen stehen. Heute sind es Lehrer oder Versicherungsberater, morgen vielleicht Bäcker oder Verkäufer. Dafür hat hier die Kälte des professionellen Fussballs kaum Platz. Falls doch, dann dürfte Aasumah Abubakar sie wegwirbeln. Der Portugiese, der schon für Willem II oder den MVV Maastricht tätig war, bringt etwas Glamour ins Kleinfeld. Die Spitzigkeit, die der Mannschaft allzu oft fehlte. Das blasse Lausanne spielt er in der Dezemberkälte zeitweise schwindlig. Nikola Boranijasevic und Noah Loosli lässt er mehrmals ins Leere laufen, bis endlich das wohlverdiente 1:1 fällt.

Kriens weiss meistens, wo es hingehört. Doch an diesem Abend will es über sich hinauswachsen. Für einmal mehr als nur den ihm zugeteilten Platz. Schon von Anfang an. Und noch mehr, als es an den drei Punkten schnuppern darf. Nach dem Treffer von Omer Dzonlagic wird sogar Speaker etwas übermütig. «Lasst uns die Mannschaft zum Sieg zwingen», ruft er. Allerdings ohne genau zu verraten, wie er das denn gerne anstellen will.

Doch auch ohne eine genaue Anleitung scheinen seine Worte zu wirken, selbst wenn die gar kleine Fankurve der Heimmannschaft gegen die mitgereisten und lauten Lausanner einen schweren Stand hat. Lange kann Kriens mithalten. Bis sich letztlich auch die Akteure auf dem Platz ergeben müssen. Als Dan Ndoye kurz vor Schluss den Sieg des Gästeteams besiegelt, hat man einmal mehr das ungute Gefühl, dass die Krienser nie wirklich das bekommen, was sie eigentlich verdient hätten.

FC Lausanne-Sport

Warum man den Verein mögen muss: Als Fan kann ich diese Frage schlecht beantworten. Manchmal weiss ich selbst nicht, warum ich diesen Haufen überhaupt mag. Meist ist es dieser furchtbare Masochismus. Nun ist es wohl die Freude über den Hollywood-Kitsch einer durchschaubaren Saison. Der Stolz auf die Eigengewächse, die Hoffnung auf das Anknüpfen an die alten Erfolge. Und irgendetwas mit Nostalgie.

Andere Kunden kauften auch: FC Kaiserslautern, Ajax Amsterdam. Ein grosses Auffangbecken für die viele Tränen.

GC

Warum man den Verein mögen muss: Wenn du nicht gerade Stefan N. heisst, fällt mir eigentlich kein Grund ein, warum du diesen Verein nicht mögen dürftest. Wie bei Lausanne sind Nostalgiker und  Romantiker hier am richtigen Ort. Du hängst gerne in der Vergangenheit herum und Erfolge machen dir eher Angst? It’s a match.

Andere Kunden kauften auch: Pyrotechnik. Im Warenkorb liegt bereits der Chemnitzer FC.

FC Wil

Warum man den Verein mögen muss: Der FC Wil ist gleichzeitig furchtbar langweilig und einigermassen wahnsinnig gut. Hier bekommt man noch echten und guten Fussball ohne allzu grosses Drama. Meistens zumindest. Der mit Abstand grösste Pluspunkt? Der Trainer.

Andere Kunden kauften auch: FC Kaiserslautern (siehe oben).

FC Winterthur:

Warum man den Verein mögen muss: Die Schützenwiese? Wunderbar. Das Bier? Noch besser. Der Verein? Fast wie St. Pauli – nur für Menschen mit mehr Geschmack. In und für Winti wurde die Vermischung zwischen Politik und Fussball erfunden.

Andere Kunden kauften auch: Das Kapital, St. Pauli (in betrunkenem Zustand), Rayo Vallecano.

FC Vaduz

Warum man den Verein mögen muss: Auch nach einem ganzen Arbeitsjahr in Liechtenstein hat sich mir leider noch immer nicht erschlossen, warum man dieses Land oder dessen „Hauptstadt“ mögen könnte. Dafür ist der Verein selbst ziemlich liebenswert. Das Rheinpark Stadion bietet die beste Aussicht ever. Auswärtsspiele in Vaduz? Mühsam, aber lohnenswert. Und lasst uns bitte Ruth Ospelt niemals vergessen!

Andere Kunden kauften auch: Eine Rolex in der Innenstadt. Feinste Schokolade im Café Wanger.

FC Aarau:

Warum man den Verein mögen muss: Wenn Lausanne Hollywood ist, dann ist der FCA Bollywood. Ständig ist etwas los, ein gewisser Stefan Maierhofer kann einfach nicht seine Klappe halten und irgendwann tanzen dann doch alle halbnackt in der Kabine herum.

Andere Kunden kauften auch: Dieser gewisse Verein, der vom unabsteigbaren Dino zu einem Idiotenhaufen wurde, der einfach nicht mehr aufsteigen kann. Naja, ihr wisst schon.

FC Stade Lausanne-Ouchy

Warum man den Verein mögen muss: Der Aufsteiger ist für alle da, denen der grosse Bruder aus dem anderen Stadtteil zu bürgerlich ist. Wer zusätzlich gerne nach Nyon fährt und aufgrund fehlender Gastfreundschaft keine Heimspiele mag, der hat wohl hiermit seinen Verein gefunden.

Andere Kunden kauften auch: Stade Nyonnais (mit Rückgaberecht).

FC Schaffhausen

Warum man den Verein mögen muss: Eigentlich fallen einem nur Gründe ein, warum man sich diesem Verein nicht anschliessen sollte. Wer aus unerklärlichen Gründen allerdings Sexismus, Murat Yakin oder komische Dialekte mag, ist hier bestens bedient.  

Andere Kunden kauften auch: Geschmacklose Spruchbänder.

FC Chiasso

Warum man den Verein mögen muss: Chiasso ist von allen zehn Vereinen der Challenge League der zähste Brocken. Der Verein hat das, was dem HSV oder dem FCA das Leben schon vor Jahren einfacher gemacht hätte. Er. Kann. Einfach. Nicht. Absteigen. Und ist damit schon jetzt legendär.

Andere Kunden kauften auch: Sitzfleisch.

Quo vadis, Xhaka?

Für den richtigen Umgang mit Granit Xhaka gibt es kein Patentrezept. Es ist ein Fall ohne Sieger. Wenn Xhaka Arsenal verlassen muss, wäre das einmal mehr ein sehr dunkles Kapitel in einem Buch, das eigentlich gerade neu geschrieben wird.

Granit Xhaka scheint als Kind ein grosser Fan von Schattentheater gewesen zu sein. Immer wieder fiel der 27-Jährige durch seine Gestik auf. Doppeladler, Captainbinden-Weitwurf, provozierende Mimik oder sonstige Verrenkungen. Xhaka hat alles drauf.

Und immer kam er irgendwie damit durch. Schnell wurde ihm alles verziehen. Wie soll man auch anders mit einem Spieler verfahren, dem der Leichtsinn der Jugend so gut steht. Dem der Schelm für alle gut sichtbar ins Gesicht geschrieben ist. Seine Freude an diesem wunderbaren Spiel hat viele mitgerissen. Man hätte fast meinen können, er habe nur Freunde. 

Bis er am letzten Wochenende im Spiel gegen Crystal Palace ein wenig zu weit ging und nebst der Kontrolle über seine Gesichtszüge so ziemlich alles verlor. Auf den ersten Blick zumindest. Schnell schlugen die Wellen hoch, bis sie ähnlich schnell wieder verebbten. Bis eine anderer Gedanke sich in den Vordergrund drängte: War es denn nicht viel eher so, dass der Rest der Fussballwelt ein wenig zu weit ging?

Allen voran waren es die selbsternannten Experten, die stets – wie Motten vom Licht angezogen – auf die grosse Bühne treten, sofern ein Spieler es wagt, aus der Reihe zu tanzen. Sie schossen auf Xhaka ein. Einfach, weil sie es nicht anders kennen. Ian Wright, Darren Bent, Peter Crouch. Gerade letztgenannter sollte es doch besser wissen. Sie alle sollten es eigentlich besser wissen.

Alle haben sie zu einer Zeit gespielt, in der Beleidigungen gegen Spieler an der Tagesordnung waren. In der nur Härte zählte, Biss, der eiserne Wille. Bis nichts mehr von einem selbst übrig bleibt. Schwäche konnte damals keiner zeigen. Heute sieht das anders aus. Wir wissen es besser. Es hat sich viel getan. Heute ist nicht mehr die Zeit von Wright oder Crouch. Sie sind Relikte an Spielzeiten, an die wir uns eigentlich gerne erinnern würden. Aber wir wissen es mittlerweile besser. Könnte man meinen.

Denn trotzdem ist der Sport noch immer vergiftet. Auf der grossen Bühne wird der Hass endlich angeprangert. Man spricht Dinge an, die nicht passen, man verändert sie – das überdeckt vieles. Aber in den untersten Ligen müssen sich noch immer gestandene 40-Jährige Männer von Kindern beleidigen lassen.

Es liegt noch viel Arbeit vor uns. Und wenn Fussball nicht mehr das Ventil ist, wenn Emotionen nicht mehr eine Konsequenz der Geschehnisse auf dem Platz sind, sondern nur noch Hass um des Hasses wegen existiert, dann hat das nichts mehr mit meinem Sport zu tun. Dann ist das grösser als Fussball. Wenn Xhaka all diese schrecklichen Dinge angedroht werden, wer seid ihr dann, über ihn zu richten? Unai Emery hat es getan. Teile seiner Mannschaftskollegen, die Medien. Auf einmal hatte Xhaka keine Freunde mehr. Dabei war er immer das Opfer, nie der Täter.

Und nun steht er nicht im Aufgebot für das Spiel am Samstag gegen Wolverhampton – es ist ein schlechtes Zeichen. Wenn Xhaka womöglich gar gehen muss, wäre das einmal mehr ein sehr dunkles Kapitel in einem Buch, das eigentlich gerade neu geschrieben wird. Es wirft ein schlechtes Licht auf dieses schöne Spiel. Nicht auf Xhaka, nicht auf Emery. Sondern auf die gesamte Fussballwelt, die einmal mehr daran gescheitert ist, den Sport und seine Akteure zu schützen. Wenn alles beim Alten bleibt und Hass seine Berechtigung bekommt, gibt es dann überhaupt einen Sieger? Und falls nein, wer hat dann überhaupt verloren? Du dich, Xhaka? Ich mich? Oder wir uns?

Den Stier umstossen – Wie Ralf Rangnick die Bundesliga prägt

Den roten Bullen hat Rangnick den Faden in der ebenfalls gleichen Farben geschenkt, der Bundesliga einen weiteren Schritt nach vorne. Professor, Revoluzzer, Provokateur. Ralf Rangnick musste viele Transformationen durchleben, um sich eine ganze Liga untertan machen zu können. Ein Text über passende Wortkombinationen, eine Ode an den Trainerberuf und einen Mann, den eigentlich niemand so richtig mag.

Wer ab und an auf die Tabelle der Bundesliga schielt, der dürfte – sofern er denn nicht Fan von Bayern München ist – angenehm überrascht sein. Selten war die Liga so spannend, selten wurden die achtzehn Vereine derart durcheinandergewirbelt. Absehbar? Das war einmal. Den Fans und neutralen Zuschauern wird Spieltag für Spieltag Spektakel geboten.

Einer, der dabei ebenfalls immer wieder auf seine Kosten kommen dürfte, ist Ralf Rangnick. Der die Bundesliga zwar verlassen hat, aber von dem in dieser Liga trotzdem noch so vieles abhängt. Oder um es einfacher auszudrücken: Er klebt an ihr, gerade so wie ausgeleertes Red Bull, das sich überall festsetzt. Die prophezeite „Rangnickisierung der Bundesliga“ ist eingetreten – vielleicht sogar eindrücklicher als erwartet. Denn betrachtet man die erste Tabellenhälfte der Bundesliga, so tummeln sich da nur drei Vereine, bei denen sich keine Verbindung zu Ralf Rangnick ausfindig machen lässt.

Der grösste Sonderling ist dabei wieder einmal der SC Freiburg und Christian Streich. Doch auch der BVB gehört zu dieser erlesenen Truppe. Egal wie oft man es dreht und wendet. Die restlichen Vereine weisen dafür eine klare Linie zu Ralf Rangnick und/oder Red Bull Salzburg auf. Am deutlichsten und bekanntesten dürfte wohl die Verbindung zu RB Leipzig sein. Allseits bekannt, allseits ein Dorn im Auge. Wie bei Trainer Julian Nagelsmann ist auch bei Schalkes David Wagner Hoffenheim das bindende Glied in der Kette, unter Rangnick haben beide einst bei der TSG als Jugendtrainer gearbeitet.

Bei Marco Rose, Adi Hütter, Niko Kovac und Oliver Glasner heisst das Zauberwort hingegen Salzburg. Als Sportchef oder Trainer sorgte Rangnick damals für das Entstehen dieser Beziehungen. Und somit zugleich auch für das Gedeihen ganzer Karrieren und Erfolgsgeschichten, die nun in dieser Saison einmal mehr erzählt werden. Doch um sein volles Wirken verstehen zu können, reicht ein Blick auf die aktuelle Bundesligatabelle kaum aus. Eine Reise in die Vergangenheit wäre da eher angebracht.

Ralf und Ronaldo

Dass Rangnick kein allzu grosser Fussballer war, dürfte allseits bekannt sein. Dafür wurde der ehemalige Sport- und Englischstudent bald Musterschüler des Fussball-Lehrer-Lehrgangs in Köln. Mit einem mit einem Notendurchschnitt von 1,2 erwarb er im zarten Alter von 26 Jahren die Fussballlehrer-Lizenz. Es war der Beginn einer Erfolgsgeschichte, geprägt durch Dynamo Kiews Walerij Lobanowskyj, der Rangnick mit Viererkette und Pressing in seinen Bann zog.

Von Anfang wollte er von den ganz Grossen lernen. Nicht von den Superstars auf dem Rasen, sondern von den stillen Denkern neben dem Platz. Er saugte jeden Informationsfetzen auf. Ahmte erfolgreich Funktionierendes nach. Bis er irgendwann selbst gestalten wollte. Innovativer Spielertrainer, Streber, Revoluzzer: Rangnick hatte schon damals viele Rollen. Doch vor allem hatte er von Anfang an ein gutes Auge für Talente. Einst noch als Jugendkoordinator im Schwabenland tätig, riet er 1994 dem VfB Stuttgart dazu, Ronaldo zu erwerben.

Der Deal platzte, Stuttgart bekam kalte Füsse, doch Rangnick brachte diese Episode nicht von seinem Weg ab. Unermüdlich machte er immer weiter, bis sich seine Mühen irgendwann einmal auszuzahlen begannen. Im Verlauf seiner Karriere hat er zahlreiche Spieler entdeckt, gefördert und erfolgreich gemacht.

Er hat mit dem Dorfverein Hoffenheim das Märchen geschrieben, das eigentlich keiner wollte. Auf das keiner gewartet hat. Gleich erging es ihm Leipzig. Immer wieder feierte er Erfolge. Nie die ganz grossen Geschichten, wertvoll waren sie trotzdem. An dieser Stelle könnte das Ganze ein gewöhnlicher Text über einen gewöhnlichen Trainer werden. Aber gewisse Wortkombinationen sehen einfach schon auf den ersten Blick falsch aus. „Rangnick“ und „gewöhnlich“ gehören dazu.

Betrachtet man die oben aufgeführten Trainer, so dürfte einem klar werden, dass Rangnick eigentlich nicht einmal die Bezeichnung „Trainer“ gerecht wird. Von grossen Persönlichkeiten wie Arrigo Sacchi oder Walerij Lobanowskyj inspiriert, sollte er bald derjenige sein, der zum Vorbild für seine Schützlinge wurde.

Den Absprung gewagt

Wie kein anderer hinterliess er dabei seine Spuren. Längst nicht nur in der heimischen Liga. Seine Protegés sind weiter in die Welt herausgezogen als er es jemals als Trainer getan hat. Während sich sein Radius auf die geliebte Bundesliga beschränkte, wagten sie den Absprung. Thomas Tuchel gehört dazu, hierzulande in der Super League ein Peter Zeidler.

Dieser arbeitete in Hoffenheim und in Salzburg mit ihm, überzeugt momentan mit St. Gallen, in dem er auf junge Spieler setzt. Wenn Zeidler über diese zwei hinter sich gelassenen Stationen redet, kommt er selten darum herum, nicht auch über Rangnick zu reden. «Einer der wichtigsten Protagonisten war jeweils Ralf Rangnick, der in meiner Karriere eine grosse Rolle gespielt hat. Diese Schule hat mich geprägt», wird er vom Tagblatt zitiert.

Ähnliches berichtet auch sein ehemaliger Spieler, Thomas Tuchel, den Stuttgarter Nachrichten über Rangnick. «Er hat mir das ballorientierte Spiel beigebracht», sagt Tuchel, «das war prägend.»

Eine perfekte Wortkombination

Der Anfang dieser vielleicht speziellsten Beziehung liegt von all den bisher genannten Verbindungen am weitesten zurück. Während seiner Zeit in Stuttgart wurde Rangnick nicht nur auf Ronaldo aufmerksam – er entdeckte dort auch den jungen Tuchel. Was wie ein Downgrade klingt, ist der Beginn einer weiteren Erfolgsgeschichte, die ihre Kreise bis nach Paris zieht. Nicht nur, weil Rangnick so unverschämt unkonventionell denkt.

Er war es, der Tuchel anriet, eine Trainerausbildung zu machen. Und er war es, der ihm – als ebenfalls eher mässig begnadeter Spieler – den Weg ebnete. Selbst wenn Thomas Tuchel später Hermann Badstuber- den Vater von Holger Badstuber – als seinen grössten Lehrmeister bezeichnen sollte: Rangnick hat seine Laufbahn entscheidend geprägt.

Wieder einmal. Immer wieder ist von Prägung die Rede, wenn es um Rangnick und seinen Einfluss geht. „Prägend“ und „Rangnick“ – das ist zum ersten Mal eine Wortkombination die perfekt aufgeht. So gut, dass er es sich nie nehmen liess, ein Talent nach dem anderen an den Trainerberuf heranzuführen.

Wir können die Liste eigentlich ewig weiterführen, so viele dieser kleinen und doch so grossen Geschichten gibt es. Auch bei Oliver Glasner lief es ähnlich ab. Auch er wurde von Rangnick als Trainer entdeckt. Auch er redet davon, wie prägend es war, mit ihm zu arbeiten und immer wieder von ihm zu lernen.

Der Blick auf das grosse Ganze

Deutschland liebt seine Trainer. Deutschland tut vieles für seine Trainer. Aber reicht das aus? Es könnte mehr Menschen wie Rangnick geben. Es sollte mehr wie Rangnick geben. Das wird nicht nur durch all diese Beziehungen zu den in Deutschland agierenden Trainern sichtbar. Er ist so wichtig wie kaum ein anderer. Weil er das Unkonventionelle wagt. Egal, was es kostet – ein Mäzen wird es ja letztlich bezahlen.

Er ist gerade deswegen so wichtig, weil er nicht nur auf dem Platz Verbesserungspotential sieht, sondern als einer der ganz wenigen auch den Blick auf das grosse Ganze nie verliert. Es auch wagt, Probleme offen anzusprechen.

Mitte des Jahres hat er nicht zum ersten Mal während seiner Laufbahn Alarm geschlagen. Die Bundesliga verliere an Wettbewerbsfähigkeit, an Qualität, liess er beim beim F.A.Z.-Kongress „Zwischen den Zeilen“ verlauten. Es fehle an Top-Trainern. Alles sei ein wenig langsam geworden, zu oft zu gemächlich. Vor allem bei Veränderungsprozessen. Ebenso bei der Ausbildung der Spieler. Es waren scharfe Worte.

Ähnlich gesprochen hat er schon Anfang des Jahres in einem grossen Kicker-Interview. Dort brachte er sogar konkrete Vorschläge vor. «Aktuelle oder frühere Trainer sollen viel mehr in die praktische Trainerausbildung eingebunden werden», forderte er damals.

Als Person, deren Trainerlaufbahn eigentlich ein wahres Wunder ist. Nicht wirklich vorbestimmt, möchte man meinen. Dennoch hat Rangnick so sehr wie kein anderer ein Anrecht auf seine Kritik.

Maric und die seltenen Experimente

Als Trainer, der nie ein überragender Spieler war, steht er für die neue Generation, die auf den Plätzen dieser Welt gerade ihr Glück versucht. Die neuen Trainer dieses Landes. Er war und ist Vorbild, Vorreiter, Förderer. Einer, der sich nie zu schade war, sich starke Partner ins Boot zu holen. Nicht der einzige in dieser Form, aber der wohl lauteste. Deutschland hat sich immer damit gebrüstet, eine Nation der Trainer zu sein. Aber fördert es sie jemals so gut, wie es Rangnick mit seinen Schützlingen getan hat?

Wenn René Maric im 11-Freunde-Interview davon spricht, sich seit 20 Jahren mit der Materie zu beschäftigen, dann fragt man sich (als Aussenstehender), ob es nicht auch Strukturen für jüngere Menschen benötigt, für die von Anfang an klar ist, dass sie einmal als Trainer arbeiten wollen.

Ob nicht zu viele Talente unter dem Radar verschwinden. Es wird nicht immer einen Rangnick geben, der sie alle aufbaut und immer zur Stelle ist. Gute Spieler werden schon in den jüngsten Jahren gejagt, gefördert und sorgsam aufgebaut. Von Trainern aber verlangt wird, von Anfang an eine gestandene Persönlichkeit zu sein. Experimente werden eher selten gewagt. Wo viel Geld im Spiel ist, sind auch die Zweifel gross. Immer noch. Auch in dieser Zeit, in der sich so vieles tut. Der SFV Lehrgänge für Spielanalyse anbietet (endlich!), Taktikblogs boomen und einzelne Spielszenen selbst in der behüteten Sportschau seziert werden.

Die ersten Nerds der Fussballszene

Gerade jetzt wächst eine neue Generation heran. Eine, die vielleicht noch durstiger nach Wissen ist, als diese rund um Rangnick, die damals alles ins Rollen gebracht hat. Typen wie Helmut Gross, Ralf Rangnick, Jogi Löw, Rainer Adrion, Robin Dutt und viele weitere Persönlichkeiten bildeten eine Gruppe aus Taktik-Nerds, bevor dieses Wort überhaupt in Mode war.

Unvergessen bleibt der Moment, als Rangnick 1998 im ZDF-Sportstudio probierte, dem noch nicht allzu bereiten Deutschland an der Tafel die Viererkette erklärte. Oder zu erklären probierte. Da war nämlich Ehrfurcht da. Vor einer Viererkette. Er war seiner Zeit voraus. Die Fussballwelt hielt einen Ralf Rangnick nicht immer aus.

Alsbald wurde er als ungeliebter Professor verschriene. Immer wieder belächelt. Freilich nicht nur, weil er im Fernsehen händeringend einem Land voller Kämpfer und Läufer versucht hat, eine Viererkette näherzubringen. Er gab sich zu keiner Zeit nahbar, blieb immer etwas auf Abstand. Wenn er an die Öffentlichkeit trat, dann oft auch, um zu provozieren. Selten gab er Einblicke in sein Innenleben.

Das Alles-oder-Nichts-Prinzip

Falls er es doch wagte, taten sich Abgründe auf. Dann legte er auch gleich alles auf den Tisch. Dann war offen und schonungslos die Rede von Versagensängsten und Schlafstörungen. Ein gesundes Mittelmass scheint es für ihn nicht zu geben. Das Alles-oder-Nichts-Prinzip wurde für Rangnick erfunden. Er zelebriert es liebend gerne. Dafür bezahlte er aber auch immer wieder seinen Preis. Nicht nur gesundheitlich. Trotzdem oder gerade deswegen hat er immer an sich und seinen Idealen festgehalten.

Hoffentlich, so möchte man sagen, tut ihm dies die neue Generation gleich. Denn auch wenn für diese Trainer neue Regeln und neue Gesetze gelten, ist so vieles gleich geblieben. Viele Strukturen so fest in Stein gemeisselt, dass Rangnick wohl noch das eine oder andere Mal für den ambitionierten Nachwuchs in die Bresche springen muss. Er wird es liebend gerne tun, da bin ich mir sicher.

Die Vermessung des Fussballs

Alles was ihn ausmacht, muss man nicht mögen. Auch nicht die Vereine, die zurzeit wegen – oder trotz ihm an der Tabellenspitze stehen. Leipzig und Rangnick werden wohl nie wirklich die Form von Liebe bekommen, die ihr Fussball verdient hätte. Platz für Hass sollte trotzdem nicht sein. Viel mehr muss man anerkennen, wie Rangnick den Fussball überdenkt. Sich für seine Visionen immer wieder nahezu aufgibt. Tag für Tag.

Er weiss immer über alles etwas besser Bescheid als der Rest. Ist immer auf Achse. Floskeln kommen bei ihm nur zum Einsatz, wenn es darum geht die zu kritisch betrachtenden Verbindung zwischen den Red Bull Konstrukten zu dementieren. Hat Bielsa den Fussball wirklich vermessen? Cruyff und Guardiola den zu bespielenden Raum? Falls ja, welche Rolle kommt dann Rangnick zuteil?

Dem Mann, der sich so stark von all den anderen eben genannten Trainern unterscheidet. Oft kalt und herzlos wirkend, würde man ihm so eine Vermessung eigentlich am meisten zutrauen. Er ist kein Verrückter, kein Romantiker, keiner wie Marcelo Bielsa.

Head of Sport and Development Soccer

Rangnick wirkt so, als könne er dieses so wunderbare Spiel nur lieben, wenn er es beherrscht. Er ist gleichfalls niemals so charismatisch wie Pep Guardiola. Aalglatt ist er, kaum fassbar. Trotzdem wirkt er nicht wie einer, der in seiner eigenen Welt lebt. Er ist da. Im Hier und Jetzt.

Wo er „Head of Sport and Development Soccer“ von Red Bull ist. Eine spezielle Funktion. Ein gar sperriger Begriff. Eine Wortkombination, die mal wieder nicht aufgeht. Passt das zu Rangnick? Vermutlich ist die Antwort «Ja». Weil er mehr als nur ein Trainer sein will, wie er einst sagte. Doch die Frage ist auch, wie lange ihn das denn erfüllt. Will er irgendwann zurück? Kann ein Rangnick ohne die Bundesliga leben? Und wie sieht das Ganze überhaupt umgekehrt aus?

Den roten Bullen hat Rangnick den Faden in der ebenfalls gleichen Farben geschenkt. Der Bundesliga einen weiteren Schritt nach vorne. Die Zukunft ist wieder einmal hier. Alle Jahre wieder, immer ein wenig in einem anderen Gewand. In dieser Saison in From der Absenz von Ralf Rangnick. Trotzdem schwebt sein Geist über dieser Spielzeit, wie niemals zuvor. Wenn man das Spiel der durch seine Schützlinge geleiten Mannschaften betrachtet, weiss man, dass er immer noch hier ist. Er hat die Bundesliga fest im Griff. Auch, in dem er Trainern im Nacken sitzt, die um ihren Job fürchten. Er prägt diese Saison. Bis einer es wagt, den Stier ein für alle Mal umzustossen.

Die beste Zeit im Jahr

Rasant fing es an, schnell war es wieder vorbei. Das durchgetaktete Cup-Wochenende mit all seinen kleinen und grossen Geschichten neigte sich gestern dem Ende zu. Warum man in Basel plötzlich Spezialitäten aus dem Wallis auftischt und warum der FC Iliria sich über sein Tor nicht richtig freuen kann.

Um die erste Cuprunde zu beschrieben, braucht man eigentlich nur ein einziges Bild. Gemacht wurde dieses spezielle Bild am Samstag von Keystone-Fotograf Salvatore Di Nolfi in Pully. Darauf zu sehen ist die in die Westschweiz mitgereiste Muttenzerkurve: Männer mit nacktem Oberkörper, geballte Fäuste, schreiende Münder, wehende Fahnen – die komplette Ladung Testosteron. Nichtsdestotrotz fällt der Blick des Betrachters sofort auf die einzelne Gestalt vor der Kurve. Nur wenige Zentmeter von von ihr entfernt steht Valentin Stocker. Aufrecht und doch zart, das komplette Gegenteil von all dem. Für einmal ohne Netz und doppelten Boden sieht er sich mit dieser Truppe konfrontiert – die ihm trotz so vieler vergebenen Chancen an diesem Nachmittag wohlgesinnt ist.

Letztlich bleibt den Titelverteidigern ja auch nichts anderes übrig. Nachdem bei Basel die Hiobsbotschaften nicht abzureissen scheinen, klammert man sich an jeden Spieler, der ein paar Meter vernünftig geradeaus laufen kann.

Denn es sollte für den FCB nur zwanzig Minuten nach dem 1:0 erneut brenzlig werden: Kurz vor der Pause wird Raoul Petretta wegen eines Handspiels vom Platz verwiesen. Die freche Heimmannschaft aus Pully, welche die ihr durch den Penalty verliehene Chance zum Ausgleich nutzt, ist plötzlich wieder im Spiel. Und obwohl der FC Basel trotz Unterzahl in der zweiten Spielhälfte gleich dreimal einnetzt, will man diese mutigen Waadtländer zu keiner Zeit so richtig abschreiben. Nicht nur neben dem Platz, sondern auch auf dem Feld verwischen die Grenzen im Cup schnell.

Vermeintlichen Grenzen werden vergessen

Das muss auch Meister YB am Freitag am eigenen Leib erfahren. Für die Berner läuft es nicht wie gewünscht. Gegen Etoile Carouge bleibt der erhoffte Torregen aus. Jean-Pierre Nsame erzielt den einzigen Treffer des Abends. Besser wird es danach nicht mehr, doch die Young Boys sind mit diesem Schicksal nicht alleine. Die Underdogs wollen mit aller Macht die Sprachbarriere überwinden, tischen wie in Allschwil sogar Spezialitäten aus dem Kanton des Gastes auf, doch auf dem Feld schenken die Aussenseiter den grossen Vereinen nichts.

So verlässt auch die Basler nie der Mut. Obwohl der FC Allschwil zuvor zehn Gegentreffer erleiden musste, folgt kurz vor Schluss der Ehrentreffer, der alles andere auf einmal wiedergutmacht. Die Freude darüber lässt auch in Allschwil alle Beteiligten die vermeintlichen Grenzen vergessen. Sions Anto Grgic jubelt gar mit dem Torschützen mit, sein stolzer Trainer hat hingegen nur noch Gänsehaut. Von Concordia Basel bis nach Mutschellen oder Cham zählt meist nicht das Resultat an sich, sondern viel mehr die Freude am Cuperlebnis. Vermeintliche Kleinigkeiten wie vereinzelten Tore oder erstaunlichen Paraden werden frenetisch bejubelt.

Es treffen Welten aufeinander

Nur einer kann damit nicht so recht umgehen. Als ein Verteidiger des FC Iliria aus Solothurn gegen das grosse Lausanne einen Treffer erzielt, weiss er zuerst gar nicht, wie er diesen denn nun angemessen zelebrieren soll. Dass Mannschaften aus der Super League für einmal auf Lehrer, Bauarbeiter oder Verkäufer treffen, wirbelt die in den sonst so gewohnten Bahnen verlaufende Fussballwelt gehörig durcheinander. Auf einmal finden sich die Stars zum Anfassen –  ja, gar umgrätschen –  auf den kleinen Fussballplätzen des Landes wieder. Es treffen Welten aufeinander, wenn St. Gallen von Bergen umgeben in Monthey spielt oder der FC Zürich in der Spielstätte der Black Stars über den dürftigen Rasen stolpert und sich dort zu allem Übel auch fast noch blamiert.

Doch zugleich entstehen auch Bilder und Geschichten, die sich bei den Beteiligten für immer im Gedächtnis einbrennen werden. Wenn Allschwil seinen Ehrentreffer wie einen Sieg feiert, wenn die Black Stars bemerken, dass die Gäste aus Zürich doch nicht so schrecklich sind. Stocker plötzlich ohne Netz oder Trennwand direkt vor der Muttenzerkurve steht und David gegen Goliath nicht mehr nur eine leere Floskel ist, dann ist Cup. Die beste Zeit im Fussballjahr.

Schweizer Cup, 1/32-Finals
Concordia Basel (2.) – Lugano 0:5 (0:2) Etoile Carouge (PL) – Young Boys 0:1 (0:0)
Black Stars Basel (PL) – Zürich 1:2 (1:1)
Echallens (1.) – Servette 0:6 (0:1)
Pully (2.) – Basel 1:4 (1:1)
Allschwil (2.i) – Sion 1:10 (0:6)
Monthey (2.i) – St. Gallen 1:4 (1:2)
Wetzikon (2.) – Meyrin (1.) 1:3 (0:1)
Wohlen (1.) – Wettswil-Bonst. (1.) 2:1 (1:0)
Red Star Zürich (1.) – Wil 1:3 (1:0)
YF Juventus (PL) – Winterthur 0:3 (0:2)
Altstätten SG (2.) – Bassecourt (1.) 1:3 (0:2)
R. Brienz (2.) – Sursee (2.i) 1:3 (0:0)
Seefeld Zürich (2.) – Grasshoppers 1:9 (1:2)
Bulle (1.) – Chiasso 2:1 n.V. (1:1, 1:1)
Muri (2.i) – Rapperswil-Jona (PL) 2:3 (0:1)
Perly-Certoux (2.) – LS-Ouchy 0:5 (0:1)
Rotkreuz (2.i) – Freienbach (2.i) 0:2 (0:0)
Saxon (2.) – Spiez (2.i) 2:4 (1:1)
Iliria Solothurn (2.) – Lausanne 1:6 (1:3)
Taverne (2.i) – Kriens 1:4 (0:1)
Gambar.-C. (2.i) – Bellinzona (PL) 0:5 (0:4)
Mutschellen (2.) – Nyon (PL) 0:3 (0:1)
Bernex-Confignon (2.i) – Thun 0:2 (0:0)
Calcio Kreuzlingen (2.i) – Luzern 0:2 (0:1)
Yverdon (PL) – Neuchâtel Xamax 1:2 (0:0)
Cham (PL) – Aarau 3:5 n.P. (1:1, 2:2)
Linth 04 (2.i) – Schaffhausen 3:1 (1:1)
Béroche (2.) – Olten (2.i) 5:4 n. P. (1:1, 0:0)
Escholzmatt-M. (4.) – Bavois (PL) 0:14 (0:6)
Schoenberg F. (2.) – O. Genève (1.) 1:5 (1:2)
Uster (2.) – Lancy (1.) 1:3 (0:1)

Krise? Welche Krise?

In der Schweiz brennt Constantins Festung, in Deutschland schwirrt Magath auf den verschiedensten Kanälen hin und her und verwirrt die Massen. Es geht um Völkerball und die Liebe zum Fussball und am Schluss dreht sich doch wieder alles um Mourinho

Brennpunkt Super League

Eigentlich stand das Thema für diesen Blogeintrag schnell fest. Kaum wurde die skandalträchtige Partie Sion-GC abgebrochen, schwirrte in meinem Kopf folgende Frage herum: Steckt die Super League in einer Krise?
Niemand kann abstreiten, dass sich die Fans in letzter Zeit mehr als nur auffällig benommen haben. Nach dem Spiel FCB-Sion erhielt der Schiedsrichter Alain Bieri Morddrohungen. Sein Entscheid, dem FC Basel einen Elfmeter zuzusprechen – es war ein Penaltypfiff mit Nachspiel für ihn. Eine Woche später rannten in einem weiteren Cupspiel mehrere FCL-Fans auf den Platz, um als Protestaktion gegen die von der UEFA diktierten Anspielzeiten ihr Tor zu verbarrikadieren. Nur wenige Wochen später sollten GC-Fans das halbe Tourbillon abfackeln, diesmal richtete sich der Protest allerdings gegen ihren eigenen Verein. Die Stadien als rechtsfreier Raum? Ein Fussballland in einer nie dagewesenen Notsituation? Nicht ganz.

Einen Tag später, hatte sich meine Meinung nämlich etwas geändert. Inspiriert durch Felix Magath, der im Doppelpass auf die Krisensituation auf Schalke angesprochen wurde und für diese Frage nur ein lapidares „Krise? Welche Krise?“ übrig hatte, wurde der reisserische Eintrag schnell verworfen.  Denn so ganz einfach ist die ganze Sache nämlich nicht. Es gibt nicht nur Blau und Weiss – und auch nicht nur das Rot, der gefrässigen Flammen, die den Gästeblock am Samstag auffrassen.

Für eine Person, die den Fussball nicht nur wegen seines Charakters, sondern vor allem wegen seiner Kurven liebt, ist es nicht immer einfach, solche Situationen nüchtern zu betrachten. Zum Glück habe ich dann doch realisiert, dass ich das an dieser Stelle eigentlich auch gar nicht muss.

Nun also erneut die Frage aller Fragen: Gibt die durchwachsene Leistung dem Fanblock das Recht, einen Spielabbruch zu provozieren? Selbstverständlich nicht. Seine eigenen Spieler – sei es auch nur ein seelenloser Haufen voller Söldner – zu gefährden, ist nicht in Ordnung.

Trotzdem. Schlimmer geht immer. Die GC-Fans haben das Rad nicht neu erfunden. Der Abstiegskampf ist und war nie ein Zuckerschlecken. Wenn im Schweizer Fernsehen davon geredet wird, dass dieses Vergehen eine auch international nie dagewesene Situation ist, dann ist das schlichtweg eine Lüge.

Diese Ultras sind nicht schlechter, als die FC Köln Anhänger, die ihre eigenen Spieler immer mal wieder bedrohen, Lille-Fans, die vor einem Jahr den Platz stürmten oder die HSV-Supporter, die ihr Stadion im Abstiegsspiel in einen Hexenkessel verwandelten.

GC hat schlimme Fans. Aber nicht, weil sie im Abstiegskampf emotional reagieren. Sondern weil viele Fans immer und immer wieder mit dem rechten Milieu flirten. Oder bereits schon Teil dieser Szene sind. Das ist und bleibt das wahre Problem. Genau das dürfen wir niemals aus den Augen verlieren.

Rechtsextremismus und Pyrotechnik sind zwei Paar Schuhe. Pyrotechnik gehört zur Kurve. In die Kurven. Nicht aber auf den Platz – selbstverständlich. Die Kurve soll, ja muss leben. Denn obwohl andere in diesem speziellen Fall diesen Vergleich aufgestellt haben. Ein Stadionbesuch ist nicht das Gleiche wie eine Opern- oder Theatervorstellung. Wer Fussball, ein Sport der Arbeiterklasse mit Theater vergleicht, der hat ihn weder verstanden noch verdient und vielleicht auch nie richtig geliebt.

Ultras sind nicht dafür bekannt, zimperlich zu sein. Manche von ihnen haben wichtige Entwicklungen im Profifussball verpasst. Vergessen, das Empathie manchmal mehr wert, richtig und wichtig ist. Aber Ultras sind schlussendlich genau die Fans, die den Verein auch nie verlassen werden. Ihm in jeder Liga zur Seite stehen werden. Trotz all dem ganzen Brimborium im Abstiegskampf, denn Loyalität hat seinen Preis – und in einer guten Beziehung sollte gestritten werden können. Und genau aus diesem Grund ist Fussball mehr, als nur Theater (wer das noch immer nicht begriffen hat, dem empfehle ich „Fever Pitch“). Genau deswegen dürfen Ultras niemals durch VIP-Logen oder den fünfjährigen Jeremy Pascal verdrängt werden, der sich spätestens nach zehn Minuten sowieso langweilt (ausser Jeremy Pascal ist ein gutes Kind).

Egal wie viele Millionen ihr also in eure Vereine pumpt, wie sehr ihr auch die Ticketpreise in die Höhe treibt und wie charakterlos eure Spieler auch sein mögen. Fussball wird nie ein Sport der Angepassten, nie chic und nie leise sein. Ohne die Ultras lebt keine Kurve und ohne die Kurve kann der Fussball nicht existieren. Das gilt es zu akzeptieren.

Und GC hat das zeitweise sogar am Samstag. Mit dem Gang in Richtung Gästeblock hat sich die Mannschaft den vollsten Respekt verdient. Tedesco vor der dunkelblauen Wand. Das war nichts dagegen. Das war die pure Definition, von „Eier haben“.

Brennpunkt Bundesliga

Eier hatte auch Ibisevic. Ob gewollt oder nicht. Seine Völkerball-Einlage war zwar unsportlich, aber auch legendär. Und so absurd, dass ich das Video zuerst für eine Fälschung hielt (wie die Meldung zu Erdogan und Özils Hochzeit übrigens). Wird so etwas je in der Oper passieren? Kaum. Nur das Ballett der Arbeiterklasse kann so herrlich asozial sein.

Der rote König – es war seine fünfte rote Karte – kam, sah und traf. Bürki wurde für einmal von seinen guten Reflexen alleingelassen. Felix Magath, der sich zwar an diesem Wochenende äusserst verwirrend (oder verwirrt?) gab, hatte dafür nur ein müdes Lächeln übrig. Die Generation, die auch einen Thomas Doll überstanden hatte, musste schon wahrlich unsportlichere Aktionen erleben.
Vielleicht waren diese damals auch alle genauso verpönt. Vielleicht hat man sie als Zeichen der Zeit auch einfach nur akzeptiert.

Fest steht: Der Fussball, der nicht immer so aalglatt war wie heute, lebt vor allem von der Leidenschaft und seinen Emotionen. Auf und neben dem Platz. Deswegen wird ein Ronaldo mich immer mehr mitreissen, als Messi. Deswegen Mourinho, nie Guardiola.

Nie angepasst, nie leise lautet die Devise. Regeln, Taktik und Modernität sind schön und gut. Besser aber ist: Make love, not VAR. Lebt und liebt den Fussball. Mit oder ohne Pyrotechnik. Aber gebt ihm seine Originale zurück. Und lasst sie tanzen.

Die Welle

Die Freistellung von Thorsten Fink ist nur ein Teil der riesigen Entlassungswelle, welche die Super League in den letzten paar Jahren erfasst hat. Der Versuch einer Erklärung

Vorgestern wurde Thorsten Fink entlassen. Gerne würde man nun schreiben, dass dies ein überraschendes Ereignis ist. Nur war es in diesem Fall leider absehbar und notwendig. Dazu kommt, dass Fink bereits der siebte Trainer ist, der in dieser Saison gehen musste. Spektakulär ist diese Meldung an sich also durchaus nicht, zumal sie bereits überall schon zur Genüge durchdiskutiert wurde.

Erwähnenswerter hingegen ist der allgemeine Trainerverschleiss in der Super League. Sieben Trainer sind es nun. Und das nach nur 23 gespielten Runden. Noch verheerender wirkt das Ganze, wenn man sich die Anzahl der Trainerwechsel in den letzten fünf Jahren verdeutlicht. Gesamthaft hat die Entlassungswelle seit der Saison 2014/15 ganze 43 Trainer erfasst. Rechnet man die Trainerwechsel nach Saisonende dazu, so sind es dann sogar 54. Für eine derart kleine Liga, in der sich seit und je immer wieder die gleichen zehn Teams tummeln, ist das eine schier unglaubliche Zahl.

Die Reise nach Jerusalem

Im Schnitt werden in der Super League pro Saison 8.6 Trainer entlassen, pro Verein macht das 0.86 Trainer. Urgesteine wie Arsène Wenger oder Alex Ferguson sucht man hier vergeblich. Oder zumindest findet man sie nicht auf immer dem gleichen Trainerstuhl sitzend vor. So werden viele Trainer zwar über Jahre hinweg von Verein zu Verein weitergereicht und schaffen es so, sich in der obersten Liga zu halten. Ein richtiges Einleben ist auf diese Art und Weise aber nur selten möglich. Und irgendwann ist selbst für die grössten Trainerlegenden kein Platz mehr frei.

Schnelllebige Ligen

Die schnelllebige und kritisch beäugte Liga bietet für Trainer kaum Raum für Wachstum und Entwicklung. Fehler werden nicht verziehen, sondern so bald als möglich bestraft. Damit bildet die Super League zwar keine Ausnahme. Im Vergleich mit den grossen Ligen wie der Bundesliga, Premier League, Serie A und La Liga schneidet die Schweiz trotzdem am schlechtesten ab:

Anzahl Entlassungenseit 2014/15:
Liga Anzahl Vereine Entlassungen während laufendender Saison Wechsel gesamthaft Wechsel gesamthaft (Ø pro Saison)Wechsel gesamthaft (Ø pro Verein)
Super League 10 43 (40*)
54 10.8 1.08
Bundesliga 18 42 64 12.8 0.70
Premier League 20 55 77 15.4 0.77
Serie A 20 56 88 17.6 0.88
La Liga 20 65 98 19.6 0.98

*exkl. Interimstrainer

Sinn und Unsinn von Trainerentlassungen

Nun möchte man sich doch die Frage stellen, ob und wie sich die Liga durch all die Trainerwechsel in der momentan laufenden Saison verändert hat. Dazu muss zuerst einmal aufgezeigt werden, welche Trainer denn nun überhaupt in die manchmal nicht so ewigen Jagdgründe geschickt wurden. Namentlich waren dies 2018/19 folgende Trainer: Fink, Weiler, Decastel, Abascal, Jacobacci und Frei/Wicky.

Betrachtet man die Entwicklung der Vereine nach den Entlassungen, so fällt das Urteil zumindest rein tabellarisch gesehen vernichtend aus. Die meisten Vereine wie Sion oder Xamax haben sich gerade einmal um einen Tabellenplatz verbessert, Lugano fiel sogar um zwei Plätze zurück. Einzig Basel hat sich dank Koller aus der zweiten Tabellenhälfte in Richtung Spitze hochgekämpft.

Der sehr frühe Wechsel verhalf Basel zu 2.17 Punkten pro Spiel, unter Wicky waren es im Schnitt nur 1.88 Punkte. Bei Lugano sieht es punktemässig definitiv nicht so rosig aus. Während es mit Abascal immerhin noch 1.42 PpS waren, so holte Celestini nur noch 1.19 PpS. Von einem gelungenen Wechsel kann hier kaum die Rede sein.

Auch Yakin, laut Constantin «der aktuell beste Trainer der Schweiz» vermag nur tabellarisch zu überzeugen. Zieht man hingegen den Punkteschnitt zur Beurteilung dazu, so liegt er knapp hinter dem bereits im September entlassenen Jacobacci. 

Rein statistisch gesehen, konnte also kaum ein Nachfolger die Liga auf den Kopf stellen und neu durchmischen.

Ein grosses Opfer – wenig Ertrag

Trainerwechsel bringen wie schon so oft erwiesen wurde meist keinen speziell positiven Effekt hervor. Weder in der Super League noch in all den anderen Topligen. Für ein paar Punkte in den ersten paar Spielen wird so einiges geopfert. Was bleibt ist das leichte Zaudern, dass man beim Blick auf die hohen Abfindungssummen verspürt. Und ein schaler Nachgeschmack.

Warum also fühlen sich gewisse Vereine doch immer und immer dazu angetrieben, ihre Trainer zu wechseln? Und warum leistet sich gerade die Super League einen derartigen Negativrekord? Hier eine pauschale Antwort zu finden dürfte eine Mammutaufgabe sein.

Emotionen gegen blanke Zahlen

Obwohl es immer wieder diverse Analysten und Statistiker probiert haben. Der Fussball lässt sich leider nicht einfach so vermessen. Trainerwechsel haben die verschiedensten Gründe, oft geht es dabei um viel mehr als nur Punkte oder Tabellenplätze.

Manchmal ist ein Wechsel ein letztes Aufbäumen, eine Verzweiflungstat. Der Versuch, eine schon fast verlorene Saison noch irgendwie zu retten und einen Neustart hinzulegen – wie GC jetzt mit Stipic. In anderen Fällen ist eine Entlassung hingegen nur eine plumpe Machtdemonstration. Oder eine Reaktion auf Unstimmigkeiten im Verein. Schlussendlich ist es eben nie „nur Fussball“.

Gerade in einer kleinen Stadt im Kanton Wallis lässt man nicht immer nur die Vernunft walten, sich nicht von Statistiken und Zahlen beirren. Oft ist der Charakter eines Trainers eben doch wichtiger, als alles andere.                                                                         

Oder um den dortigen Herrscher zu zitieren:

«Trainer sind wie Melonen. Wenn du sie siehst von aussen, sehen sie alle mehr oder weniger gut aus. Aber sobald du sie geöffnet hast, haben sie nicht unbedingt den gleichen Geschmack.» (CC in Le Matin, 2008)

Eine Momentaufnahme oder typisch Schweiz?

Ein Grund für die vielen Wechsel in der Super League sind also sicherlich die Menschen selbst, die sich darin bewegen. Manch einer hat genaue Vorstellungen davon, wie sein Verein zu spielen hat. Dazu kommt der Fakt, dass die Liga nun einmal klein und überschaubar ist. Hier fällt alles sofort auf, dem kann sich kein Trainer entziehen.

Vielleicht ist die Entlassungswelle aber auch nicht so sinnbildlich für diese Liga wie gedacht, sondern nur eine Momentaufnahme, die bald wieder verblassen wird.

Und schlussendlich gilt auch hier: So wie der Fussball lassen sich auch die Schweizer nicht so leicht analysieren. Unsere Liga ist uns bleibt eben besonders, mit all ihren Stärken und ihren Schwächen.

Und zum Glück gibt es noch immer genügend mutige Trainer, die sich darauf einlassen.

Weitere Links:

https://sport.ch/superleague/185446/fink-macht-die-40-voll-so-viele-verschiedene-trainer-hat-die-super-league-in-den-vergangenen-jahren-gesehen

http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/fussball-statistik-trainerwechsel-bringen-nichts-a-754907.html

Quelle Anzahl Trainerwechsel/PpS: Transfermarkt